Schildkröten-Museum München
Schildkröten-Museum München                               

Der Sammler

Ein Gespräch mit Klaus Lurati.

"Geld interessiert mich nicht"

 

Vor über 50 Jahren kaufte Klaus Lurati sein erste Schildkröte. Inzwischen besitzt er tausende von ihnen - und lebt mit ihnen zusammen in einer kleinen Münchner Wohnung. Ein Gespräch über den Sinn des Sammelns, Besitz, Sparsamkeit und überflüssigen Luxus

 

Interview & Fotos: Jan Zier

 

 

Können Sie sich noch an Ihre erste Schildkröte erinnern?

Klaus Lurati: Ja. Das war eine ornamental bemalte Schildkröte aus Ton, die aus Mexiko kam. Ich hab sie 1966 für ein paar Mark in einem Dritte-Welt-Laden gekauft – als Mitbringsel, nicht, weil ich sie selbst unbedingt haben wollte. Zu Hause hab ich sie dann aber erst einmal ins Bücherregal gestellt. Einige Zeit später fand ich im Keller meiner Mutter eine große Kiste mit sehr vielen Tieren, die alle sehr naturalistisch bemalt waren. Als Kind hab ich sie gesammelt und gern damit gespielt. Ein einziges dieser Tiere war völlig atypisch, aus grauem Steingut. Mein damals schon verstorbener Vater hatte es mir mal aus einer Kur in Bad Reichenhall mitgebracht. Es war eine Schildkröte – ich hab sie zu der anderen ins Regal gestellt. Kurze Zeit später fand ich vor dem Haus in Würzburg, in dem ich damals wohnte, eine lila Schildkröte, aus Plastik, verbeult, schmutzig und kitschig. Ich hab sie trotzdem mitgenommen. Das war der Anfang meiner Sammlung.

Es hätten also genauso gut auch Frösche oder Elefanten sein können?

Nein. Mich haben Schildkröten schon ziemlich früh fasziniert - auch wenn ich im Grunde zunächst wenig Ahnung von ihnen hatte. Das hat sich erst entwickelt, als mir klar wurde, dass Schildkröten auf allen Kontinenten vorkommen. Dabei haben sie in den verschiedenen Ländern und Kulturen eine ganz unterschiedliche Bedeutung. Ich habe von Anfang an versucht, alle möglichen Informationen zu speichern - trotzdem gibt es über die ersten gut 700 Schildkröten keine Aufzeichnungen, was aus heutiger Sicht natürlich fahrlässig war. Es entstand erst einmal ein großes Sammelsurium, in dem Zeitungsausschnitte neben Originalkunstwerken und Kinderzeichnungen in einer Kladde kleben. Mir war am Anfang nicht klar, dass das so ausufert.

 

Hat Ihr Umfeld Sie manchmal für Ihren Spleen verwünscht?

Nein. Anfangs hat man das belächelt – aber ich steh zu diesem Spleen. Ich muss mich nicht verteidigen.

 

Seit wann sammeln Sie so obsessiv wie heute?

Das lässt sich nicht konkret festmachen. Es wurde nach und nach immer mehr. Aber am Ende hat vieles eben auch mit immer neuen Informationen, Ausdauer und persönlichem Engagement zu tun. Nur so wächst eine Sammlung systematisch und konsequent.

 

Welche Eigenschaften braucht man sonst als Sammler?

Wenn man sich von jenen Sammlern abheben will, die sich einfach alles leisten können: Sparsamkeit. Dazu Leidenschaft bis hin zur Passion, Neugier, Offenheit, Fantasie und Kreativität. Ich bin Jäger und Sammler, und dazu gehören dann auch Geduld und Zähigkeit – man muss auch mal drei Jahre an einen Künstler hinreden können, um ein Objekt von ihm zu bekommen. Und Sorgfalt, Fleiß, Wissensdurst: Ich will immer alles im Zusammenhang sehen.

 

 

Wie genau halten Sie es mit der Sparsamkeit?

Man könnte das jetzt überhöhen, und von einer gewissen Opferbereitschaft sprechen. Ich schränke mich bewusst in allen Dingen ein, die ich für überflüssigen Luxus halte, um mir die Sammlung leisten zu können. Dafür kann ich dann auch mal einem Künstler einen Auftrag geben. Das Ergebnis sind immer absolute Einzelstücke. Dabei spielt eine Rolle, ob mir die Arbeiten der Künstler insgesamt gefallen, ob sie ihre Handschrift gefunden haben. Daneben gibt es auch etliche Objekte, die ich selbst gemacht habe, einige davon, zum Teil recht große, aus Holz, viele aus Keramik, dazu Collagen. Einmal hab ich auch eine Arbeit in Bronze gießen lassen.

 

Welches Budget haben Sie für Auftragswerke?

Ich vergebe vielleicht drei oder vier Aufträge im Jahr, auf die ich bewusst hinspare. Notfalls warte ich auch mit einem Auftrag, bis ich ihn bezahlen kann. Im Einzelfall zahle ich auch mal 2.000 Euro für ein Objekt, viel mehr kann ich aber nicht ausgeben.

 

Bedauern Sie das?

Nicht wirklich. Wenn ich mehr Geld zur Verfügung hätte, würde ich sicher auch mehr für meine Sammlung ausgeben. Aber Geld als solches interessiert mich nicht. Doch gerade weil es mir halbwegs gut geht, will ich auch etwas abgeben, an Kinder, an Enkel, an diverse Artenschutz- oder Hilfsorganisationen. Mich ganz egoistisch nur auf die Sammlung zu konzentrieren – das fände ich fast unanständig. Aber wenn man sich anschaut, wie viel Geld ich für Schildkröten ausgebe, dann ist das schon jetzt grenzwertig. Das räume ich offen ein.

 

Geht es Ihnen beim Sammeln um den schieren Besitz?

Grundsätzlich: Ja. Ich will eine wirklich beachtliche Sammlung zusammen tragen. Aber nicht, weil ich die meisten Schildkröten anhäufen will. Die Sammlung stellt die Welt im Kleinen dar. Die schiere Anzahl der Objekte halte ich für unwesentlich. Auch der materielle Wert einer einzelnen Schildkröte spielt keine große Rolle. Es gibt wertvollere Sammlungen als meine. Trotzdem glaube ich, dass meine einmalig auf der Welt ist. Die Kreativität der Menschen ist unbegrenzt – meine Sammlung macht das sichtbar. Sammeln heißt für mich auch: bewahren, forschen, Wissen vermitteln. Das geht weit über ein Hobby hinaus.

 

Wenn Sie nochmal 20 wären: Würden Sie heute wieder Schildkröten sammeln?

Ich könnte mir jetzt nicht vorstellen, was ganz anderes zu sammeln. Die Frage lautet eher: Ist das Sammeln überhaupt sinnvoll?

 

Und – ist es sinnvoll, so viele Schildkröten zu sammeln?

Durchaus! Anhand der Sammlung lässt sich belegen, wie viele Künstler, wie viel Kulturen sich mit dem Thema „Schildkröte“ beschäftigen. Und es entsteht im Idealfall etwas, was bleibt, vielleicht auch etwas, was über mein eigenes Leben hinausweist.

 

Bewahren Sie die Sachen einfach auf oder gucken Sie die auch alle mal an?

Manches ist einfach nur abgestellt und ich guck es nicht wirklich an. Umgekehrt: An dem, was hier in meiner Wohnung ständig sichtbar ist, kann ich mich immer wieder freuen.

 

 

Wohnen und Sammeln gehen bei Ihnen eine Symbiose ein.

Das ergibt sich hier von ganz alleine – meine Wohnung ist nicht groß. Im Idealfall würde ich in einer Villa wohnen, nicht weil ich ein Statussymbol brauche, sondern weil ich dann, sagen wir: drei Räume für meine Sammlung hätte und in meinem eigenen Wohnbereich vielleicht nur ein einziges Schildkröten-Objekt. Es ist nicht so, dass ich meine ganze Sammlung um mich herum brauche. Aber es breitet sich einfach immer mehr aus. Die Schildkröte spielt schon eine bedeutende Rolle in meinem Leben. Und sie ist ein Alleinstellungsmerkmal. Einmal bin ich sogar im Schildkröten-Kostüm beim politischen Aschermittwoch aufgetreten, als Demo gegen Ministerpräsident Horst Seehofer, zuerst bei der CSU in Passau, später bei der SPD in Vilshofen – darüber hat unter anderem die Passauer Neue Presse und das ZDF berichtet.

 

Ein Leben ohne Schildkröte ist möglich, aber sinnlos?

Sinnlos nicht, aber möglich.

 

Haben Sie jemals darüber nachgedacht, echte Schildkröten zu halten?

Das wollte ich nie! Eine lebende Schildkröte ist ein Individuum, das artgerecht gehalten werden muss. In einer Stadtwohnung geht das nicht – und vom Winterschlaf im Kühlschrank halte ich auch wenig.

 

Aber bei den Objekten, die Sie gekauft haben, waren Sie nicht immer so streng mit dem Artenschutz, oder?

Das ist richtig. Zum Beispiel habe ich mal vor sehr langer Zeit für ein paar Dollar zwei Schildkrötenpanzer von einem Fischer in Indonesien erworben. Damals hatte ich da keine Bedenken. Seit 1976 verbietet das Washingtoner Artenschutzabkommen die Einfuhr der meisten Schildkrötenarten und deren Produkte.

 

Könnten Sie sich von der Sammlung trennen?

Sofort! Wenn es einen Ort gäbe, an dem ich sie öffentlich zeigen könnte. Und ich glaube, dass sie das wert wäre - weil sie auf ihre Weise einzigartig ist. Im Grunde ist es ja eine Art moderne Kunst- und Wunderkammer, so wie sie früher manche Herrscher hatten. Im Idealfall landet die Sammlung mal in einem Museum, auch über eine Stiftung denke ich nach.

 

Haben Sie früher wahlloser gesammelt als heute?

Ja. Da waren viele günstige Zufallsfunde dabei, Bedeutung und Wert eines Objektes spielten eine untergeordnete Rolle.

 

Heute suchen Sie gezielt?

Auf jeden Fall. Ich habe zum Beispiel so viele Schildkröten aus Glas oder Ton – da brauch ich keine mehr. Es sei denn, es ist eben ein ganz besonderes Stück. Ich tausche auch Objekte, wenn jemand etwas hat, was ich spannend finde – zum Beispiel mit einer Schildkrötensammlerin aus Bad Homburg.

 

Haben Sie das Gefühl, irgendwann genügend Schildkröten zu haben?

Nein. Ich denke auch nicht, dass sich das Thema jemals erschöpft.

 

 

 

Sammlung Klaus Lurati

schildkrott@hotmail.de